Finally:
Am Samstag ging es ein letztes Mal auf die A1 Richtung WM-Hauptspielort!
Diesmal hatte ich mich bei einem Freund auf ein Treffen in Ostheim eingeladen.
Als ich dort abfuhr, sah ich erst mal Hochhäuser und wollte schon "In The Ghetto" anstimmen, aber als ich durch das dortige Sauerländer Viertel mit einer Lüdenscheider wie einer Iserlohner Straße fuhr, war plötzlich alles wieder gut. Guck an!
Auto dort abgestellt, und direkt mit der Bahn die 4 bis 5 Stationen weiter zur Arena.
Zuvor ging es in die FH Sports Bar, wo sich ein etwas skuriller Zeitgenosse aus Hamburg zu uns an den Tisch gesellte:
Einerseits gerade arbeitslos, andererseits mit einem ermäßigten Venue Ticket über sämtliche in Köln stattfindenden 34 WM-Spiele ausgerüstet, war seine Rechnung, dass Russland ins Finale kommt und er dann wegen der massig anwesenden Russen für das reine Finalticket 1000 € bzw. mehr einnimmt und er somit seine Vorleistung nahezu wieder heraus habe. Nun ja, das hat ja dann fast geklappt, bzw. meine Pizza Team Rossiya war kein wirklicher Glücksbringer.
Die Beschreibung seines vorübergehenden WM-Komforts geriet auch unterhaltsam: Mit einem Wohnwagen am Rhein zu campieren kann man wohl mal machen, aus Spargründen lediglich alle drei Tage duschen als ausreichend zu betrachten, ist dann allerdings schon eine sehr subjektive Sichtweise.
Als er dann noch meinte, Schlechtes über die Iserlohner Fanszene zu wissen, wurde es allerdings blasphemisch. Ich hatte ihn allerdings schnell soweit einzuräumen, dass er dies nur über Hörensagen wisse und fortan zu dem Thema den Rand hielt.
Sa, 20.05., 15:15 Uhr: Kanada - Russland 4:2
Der alte Summit Series - Klassiker war dann schon mal ein amtlicher Halbfinal-Einstieg. Im Gegensatz zum donnerstäglichen Viertelfinale erblickte ich keine Iserlohnerinnen mit Canada-C-Trikots, was an sich ein cooler Gag in Köln war. Die Russen ließen allerdings auf sich warten. Team Canada kam wie für alle Teams üblich 2 Minuten vor dem 1. Bully aufs Eis, die Sbornaja ließ sich bis 20 Sekunden davor Zeit. Waren ja auch ungewohnt frühe Zeiten heute.
Die Intensität war in diesem Spiel schon unglaublich. Kanada nahm mehr Strafzeiten, während Russland in den ersten beiden Spielabschnitten effizienter war und somit 2:0 in Führung ging. Da dachten sich die Russen: "Das können wir auch." Und schon nahmen die Russen ab Ende des zweiten Drittels tendenziell die Strafen, während die Kanadier wieder ins Spiel fanden und nach einer ins Schlussdrittel mitgenommenen Strafe nach wenigen Sekunden in selbigem nutzten. Dass sie das Spiel noch in den letzten fünf Minuten drehten, war schon sehr cool, zumal ich ihnen in diesem Spiel die Daumen drückte, was auch spätestens beim ersten kanadischen Treffer offenkundig wurde, als ein wildfremder Canuck rein kaum und neben mir im Gang aufbrüllte und vor den Augen der kompletten russischen Nachbarschaft ein klatschendes High-Five anstand.
Nach dem Spiel in der Deutzer Einkaufszone gewesen, wo zwischenzeitlich ein einzelnes hupendes Auto mit 1.FC-Flaggen durchfuhr. Als einer den Eishockey-Fans drumherum erläuterte, dass es lediglich um Rundball ging, drehten sich alle unabhängig von Standplatz oder Nation seufzend mit abwinkenden Handbewegungen ab.
Sa, 20.05., 20:15 Uhr: Schweden - Finnland 4:1
Das Skandinavien-Duell war nicht weit weniger klassisch als zweites Halbfinale. Die Anzahl der Finnen hatte sich im Vergleich zum Viertelfinale nochmal deutllich erhöht. Entweder haben die alle im üblichen Suomi-Delirium den Gar du Nord nicht schnell genug gefunden oder man war tickettechnisch wohl doch eher von einem Viertelfinale in Paris ausgegangen.
Bereits nach 15 Sekunden hatten sich Spieler beider Teams das erste Mal in der Wolle, und das sollte sich noch ein paar Male wiederholen. Der schnellen schwedischen Führung folgte der ebenso schnelle Ausgleich. Im 2. Drittel wurde dann offensichtlich, dass sich die Finnen mit ihrer schwächsten WM-Besetzung seit Jahren einfach durch einen schlechten Tag der USA am Donnerstag lediglich ins Halbfinale verirrt hatten. Sverige legte vor und fuhr das Ding im Schlussdrittel souverän nach Hause. Am Ende fuhr King Henrik Lundquist offenbar introvertiert sehr zum Spaß seiner Teamkollegen zum falschen Ausgang, den er dann auch nahm. Irgendwann beim längeren, allein beschrittenen Weg durch die Katakomben wird er es gemerkt haben.
Danach wollte ich zum Kumpel-Umtrunk mit alten Bekannten.
Da die U-Bahn auf Grund irgendeiner Gefährdung an anderer Stelle (Ich vermute mal Fuppes-bedingt auf der anderen Rheinseite!) umgeleitet wurde, nahm ich ein Taxi.
Der junge Fahrer fuhr deutlich über Ultimo in der 50-Zone, wie noch nicht mal ich es tun würde, duckte sich dabei, spähte geheimnisvoll in alle Richtungen und meinte mir gegenüber in gebrochenem Deutsch wenig vertrauenserweckend, es wäre nicht so, wie es schiene, um kurz darauf beim Rechtsabbiegen auf die Linksabbiegerspur der Gegenfahrbahn der eingebogenen Straße zu geraten. Während ich mich mit dem Gedanken trug, dass es unter Umständen doch nichts mit dem Finale für mich werden könnte, verwies der offensichtlich auf irgendeiner Substanzrutsche unterwegs rasende Wahnsinnige an einer Ampfel stehend auf den Inhaber irgendeiner Kalk-Downtown-Klitsche zur Rechten und meinte, das wäre der Qasi-Paten-Babo von Köln. So hatte das auch noch Rundfahrt-Flair!
Dann doch in einem Stück abgeliefert, wurde mal wieder ein Vorhaben, dass der Abend nicht lang wird, traditionsbewusst nicht eingehalten. Manche Dinge ändern sich nie!
Am finalen Sonntag ging es nochmal in die FH Sports Bar, wo ich auf Leinwand die Hall Of Fame - Aufnahme u.a. eines sehr bewegten Uwe Krupp verfolgen konnte. Dann stand die Arena auf dem Plan.
So, 21.05., 16:15 Uhr: Russland - Finnland 5:3
Vor einer fast vollen Halle ging es nun um Bronze. Warum für Russland ein Extra-Hallensprecher jedes Duell der Sbornaja mit kommentierte, was dann schon mal die Aufstellungen vor dem Spiel in drei Sprachen arg lang werden ließ, ist ja an sich eine tolle Idee, warum den anderen Nationen mit überwiegend ähnlich vielen Fans dieses Privileg nicht zustand, wäre allerdings schon fragenswert. Oder wurde das letztes Jahr in St. Petersberg genau umgekehrt gehandhabt? Es gibt sicherlich wichtigeres, aber Gleichbehandlung ist bzw. wäre schon ein achtenswertes Prinzip.
Ein Zambonigate sollte nicht mehr erfolgen, zumal dieses fortan als Slovensko Oilgate firmiert. War das mit der slowenischen Hymne also präventive Vergeltung!?
Spätestens im Mitteldrittel legten die Russen auf 4:0 vor und waren somit auf Medaillenkurs. Danach wechselten die Finnen ihren Suomi-Harri wieder ins Tor, die Russen waren offenbar aus dem Halbfinal-Spielverlauf nicht schlauer geworden, und Suomi kam rund um die 2. Drittelpause nochmal auf 4:3 heran. Dabei wurde klar, dass die Finnen das coolste Goal-Horn haben, so eine Art finnischer Stimmungs-Rap in der Tradition von Ripuli. Dann legten die Russen nochmal eine Bude drauf, und der Drops war gelutscht.
Ich gönnte mir nochmal einen der Arena-Burger aus Presspappe, und draußen feierten sich Schweden mit Finnen von vielen abgelichtet auf den Tischen tanzend schon mal fürs Finale in Stimmung!
So, 21.05., 20:15 Uhr: Kanada - Schweden 1:2 n.P.
Als ob mich die IIHF nicht schon mit den wiederum im Vergleich zum Halbfinale späteren Zeiten genug geärgert hätte, so rückte das Finale um eine weitere halbe Stunde zurück wegen der speziellen Pre-Game-Show. Ähnlich wie bei der eigentlichen, die jedes Spiel ablief, wurde dafür das Eis als Projektionsfläche genutzt. Dass Cascada ihren WM-Song ein weiteres Mal aufführten, damit war zu rechnen. Dass dann aber noch ein weiteres Lied performt wurde, hätte nicht wirklich sein müssen.
Das Spiel hatte eine sehr hohe Intensität, und es ging hin und her. Kurz vor Ende des Mitteldrittels ging Schweden durch Hedmann in Führung, und ich vermisste erneut den Fan-Läufer aus dem Spiel gegen die USA, welcher nach dem ersten schwedischen Tor mit wehender Fahne einmal eine Oberrang-Runde am Geländer unter dem lauten Jubel des Publikums absolvierte, während immer absehbarer wurde, dass sich der Herr schnell zu Beginn dessen verausgabt hatte, was dann wohl auch so war. Kurz nach Wiederbeginn glich O'Reilly aus, und von da an wurde es noch mehr zum offenen Schlagabtausch. Die Torhüter entschärften fast alles. Bei Kanada hätte man auch annehmen können Chet hätte an Stelle von Calvin Pickard im kanadischen Tor gestanden, so sehr ähneln sich die beiden mit wie ohne Helm. Zwei Reihen vor mir war ein einzelner, ältere Russe mit rot-weiß-blau gefärbter Bart, wobei das weiß naturgegeben war, offensichtlich Proband des landsmännischen IIHF-Bandensponsors Xacka Vodka, bei dem die Folgen im Namen bereits angedeutet werden, was den Beipackzettel erspart. Dieser ältere Herr kreischte in einer Tour in einer Art klingonischem Russisch-Dialekt für Sverige bzw. gegen Canada und fiel dabei schon mal in den Gang um bzw. auf seine Vorderleute drauf, wenn der Bierrucksackkongolese ihn im Vorbeischreiten auch nur leicht tuschierte.
Eine Unterbrechung wurde darauf hingewiesen, dass Robert Müller auf den Tag genau vor 8 Jahren verstroben ist und das WM-Logo durch sein Konterfei aufgewertet ist. Bereits während der englischen Erklärung brach die Arena in tosenden Applaus aus, danach während der Deutschen natürlich auch nochmal. Gänsehaut!
So ging es dann in die hoch spannende Overtime und letztlich in den Penalty Shootout. Bäckström und Ekman-Larsson trafen, während die Kanadier keinen Puck ins Tor von King Henrik unterbringen konnten. Danach war die Zeremonie auf dem Eis groß, und die schwedischen Fans hatten wie nutzten allen Grund zu feiern.
Obendrein war mein am 1. WM-Wochenende getätigter Titel-Tipp genau aufgegangen! Wobei Kanada es natürlich genauso gut verdient gehabt hätte.
Was eine epische Schlacht!
Was bleibt, ist ein überragendes Fest mit vielen Deutschen, Letten, Schweden, Russen, Dänen, Slowaken und nachher auch Finnen sowie ebenfalls präsenten Kanadiern, Italienern und Amerikanern! Stimmungsvoll und fair, wie man es nur im Gleichklang sein kann!
Meine 20 Live-Spiele und das ganze Drumherum würde ich genauso nochmal machen, wenn nächstes Jahr wieder Heim-WM wäre. Aber da dies wohl wieder ca. 10 Jahre aussteht, sofern man nicht einen Co-Gastgeber an Land zieht, kann ich in Ruhe abwarten, wie es dann aussieht. Bis dahin stehen sicherlich der eine oder anderen WM-Besuch über ein verlängertes Wochenende in Prag an!
Kritisch betrachten kann man sicherlich die Preise für Tickets wie Essen und Getränke. Über das IIHF-Merch will ich erst gar nicht anfangen, dieses ist sowieso immer in Relation teuer.
Dazu könnte man mehr aus dem Fandorf drum herum machen: Mehr Sitzmöglichkeiten, längere Öffnungszeiten, etc.. So optimal wie z.B. in Prag wird man es wohl nicht hin bekommen, dafür fehlt es am Platz, aber optimierbar ist dies auf jeden Fall!
Laut Programmheft war das Fandorf wohl über Köln verteilt bzw. an zentralen Plätzen Kölns gab es dort weitere Fandorf-Segmente. Diese habe ich nie besucht. Mein Schwerpunkt war Deutz am Spielort, wo man meiner Meinung nach auch ein Fandorf konzentrieren sollte, gleichwohl ich die linksrheinischen Innenstadt-Ableger nicht beurteilen kann.
Am Ende wurden die Ehrungen durchgegeben, wobei Dennis Seidenberg als bester Verteidiger und ins WM-All-Star-Team gewählt wurde, was man wie die weiteren als absolut verdient bezeichnen kann!
Ergo: Es waren überragende 17 Tage!

"Turnover sind wie Ex-Frauen. Hast Du zu viele, wird es richtig teuer für Dich."
Barry Trotz (Headcoach New York Islanders, 03/22)